In einer immer stärker elektronisch vernetzten Welt erfährt die internationale Sprache Esperanto ein enormes Wachstum an Interesse, vor allem unter Jugendlichen, die alternative Wege zur internationalen Verständigung suchen... Zamenhof, der Initiator des Esperanto, wurde 1859 geboren; diesen 150. Jahrestag feiert man überall in der Welt, unter anderem beim Esperanto-Weltkongress in dessen Geburtsstadt Bialystok... In diesem Kongress wurde formell als neuer Landesverband die Mongolei aufgenommen, wo der diesjährige Asiatische Esperantokongress stattfindet... Das INteresse an Esperanto wächst auch in Afrika: die Landesverbände in Angola, Benin, Burundi, Tschad, Elfenbeinküste, Ghana, kamerun, der Demokratischen Republik Kongo, Madagaskar, Mali, Nigeria, Südafrika, Tanzania, Togo und Zimbabwe wurden gegründet oder wiederbelebt... Die Stadt Herzberg in Deutschland nennt sich nun offiziell "die Esperantostadt": dort konzentrieren sich eine Reihe von Esperantoaktivitäten unter der Schirmherrschaft der Stadtverwaltung... Aktuelle Errungenschaften der Esperantokultur sind ua. der Start der Literaturzeitschrift "Beletra Almanako" und eine große englischsprachige Enzyklopädie über Originalliteratur in Esperanto... Esperantosprecher in den Nachrichten der letzten Zeit betrafen 1994 - den Nobelpreisträger Reinhard Selten, 1996 – die Schachweltmeisterin Zsuzsa Polgar, und Tivadar Soros, den Vater des Finanziers George Soros. Hier nun einige zusätzliche Fakten über den derzeitigen Zustand von Esperanto.
Ziele und Ursprünge. Die Grundlage für das, was die internationale Sprache Esperanto wurde, wurde in Warschau 1887 von Dr. Ludwig Lazarus Zamenhof herausgegeben. Die Idee einer internationalen Sprache, die nicht ethnische Sprachen zu ersetzen zum Ziel hat, sondern als zusätzliche, zweite Sprache für alle zu dienen, war nicht neu, aber Zamenhof sah, dass eine solche Sprache sich durch gemeinsamen Gebrauch entwickeln muss, und so hat er seinen anfänglichen Vorschlag auf eine Minimalgrammatik und einen kleinen Wortschatz begrenzt. Esperanto ist jetzt eine vollständig entwickelte Sprache mit einer weltweiten Sprechergemeinschaft und einem kompletten Satz von Ausdrucksmitteln. Viele der Ideen von Zamenhof nahmen diejenigen des Gründers der modernen Linguistik, des Strukturisten Ferdinand de Saussure (dessen Bruder Rene Esperantosprecher war), vorweg.
Charakteristika. Esperanto wird gesprochen und geschrieben. Sein Wortschatz kommt insbesondere aus westeuropäischen Sprachen, während seine Syntax und Morphologie starke slawische Einflüsse zeigen. Esperanto-Morpheme sind unveränderlich und fast unendlich kombinierbar in unterschiedlichen Wörtern, so dass die Sprache auch viele Gemeinsamkeiten mit isolierenden Sprachen wie dem Chinesischen hat, während ihre innere Wortstruktur Ähnlichkeiten zu agglutinierenden Sprachen wie dem Türkischen, dem Suaheli und Japanisch aufweist.
Entwicklung. Am Anfang bestand die Sprache aus cirka 1000 Wortstämmen, aus denen man 10.000 oder 12.000 Wörter bilden kann. Heute enthalten Esperanto-Wörterbücher oft 15.000 oder 20.000 Wörter, aus denen man Hunderttausende Wörter bilden kann, und die Sprache entwickelt sich ständig: die Akademie des Esperanto überwacht aktuelle Tendenzen. Über die Jahre hinweg wurde die Sprache für fast alle erdenklichen Ziele benutzt, unter anderem polemische oder problematische. Die Sprache war verboten, und seine Benutzer wurden verfolgt - sowohl von Stalin, der sie für eine Sprache von "Kosmopoliten" hielt, als auch von Hitler, für den sie Judensprache war (Zamenhof, Schöpfer der Sprache, war Jude).
Anwender. Der Esperanto-Weltbund (UEA), dessen Mitglieder den aktivsten Teil der Esperanto-Gemeinschaft bilden, hat Landesverbände in 70 Ländern und sog. „individuelle Mitglieder“ in fast doppelt so vielen. Zahlen der verkauften Lehrbücher und Mitgliederstatistiken von örtlichen Verbänden setzen die Zahl der Menschen mit einer wenigstens minimalen Kenntnis der Sprache auf einige Hunderttausend und vielleicht Millionen. Es gibt Esperantosprecher in der ganzen Welt mit einer bemerkenswerten Dichte in Ländern, die so verschieden sind wie China, Japan, Brasilien, Iran, Madagaskar, Bulgarien und Kuba.
Esperantounterricht. Eine Kommunikationsfähigkeit kann in Esperanto schnell erlangt werden, und es liefert so eine ideale Einführung ins Studium fremder Sprachen. Innerhalb von Wochen können Studierende anfangen Esperanto für die Korrespondenz zu verwenden, und innerhalb von Monaten für Schulreisen ins Ausland. Positive Wirkungen des vorherigen Lernens von Esperanto auf das Studium sowohl einer ersten als auch zweiten Fremdsprache legen Zeugnisse von Experimenten und Erzählungen nahe. Obwohl Esperanto in einigen Schulen unterrichtet wird, lernt man es gewöhnlich autodidaktisch oder in Korrespondenzkursen (über die gelbe Post oder E-Mail), oder in Kursen der Esperanto-Ortsgruppen. Es gibt Esperanto-Lehrbücher und autodidaktische Materialien in mehr als hundert Sprachen. Eine neue Internetseite für Esperanto-Lehrer, www.edukado.net, vermittelt eine etwaige Vorstellung der aktuellen Unterrichtstätigkeit.
Offizielle Anerkennung. 1954 hat die Konferenz der UNESCO anerkannt, dass die Errungenschaften von Esperanto mit den Zielen und Idealen der UNESCO übereinstimmen, und es wurden offizielle Beziehungen zwischen der UNESCO und UEA aufgenommen. Eine Zusammenarbeit zwischen den beiden Organisationen wird fortgesetzt. 1997 hielt der Direktor der UNESCO, Dr. Arnadou-Mahtar M’Bow eine Rede vor dem 62. Esperanto-Weltkongress. 1985 rief die Konferenz Mitgliedsstaaten und internationale Organisationen auf, den Esperanto-Unterricht in Schulen und seinen Gebrauch in internationalen Angelegenheiten voranzutreiben. UEA hat auch beratende Beziehungen mit den Vereinten Nationen, UNICEF, dem Europarat, der Organisation Amerikanischer Staaten und der Internationalen Norm-Organisation.
Zusammenkünfte und Reisen. Mehr als hundert internationale Konferenzen und Zusammenkünfte werden jedes Jahr auf Esperanto veranstaltet – ohne Übersetzer oder Dolmetscher, mit einer Teilnehmerzahl zwischen einigen zehn bis Tausenden. Die größte Veranstaltung ist jeweils der Esperanto-Weltkongress, jedes Jahr in einem anderen Land stattfindet (2007 Yokohama, 2008 Rotterdam, 2009 Bialystok [Polen], 2010 Havanna, 2011 Kopenhagen, 2012 Hanoi). Das erste Symposium von Esperantosprechern in arabischen Ländern fand 2000 in Amman statt, der siebte (all-) amerikanische Kongress fand 2008 in Montreal statt, der asiatische Kongress 2010 in Ulanbaator statt. Die "Pasporta Servo"-Ausgabe 2010, ein von der Jugendabteilung von UEA organisierter Dienst, enthält Adressen von 1.450 Gastgebern in 91 Ländern, die reisenden Esperantosprechern kostenlose Übernachtungen anbieten.
Forschung und Bibliotheken. Viele Universitäten fügen Esperanto Kursen über Linguistik hinzu, einige bieten es als unabhängigen Lerngegenstand an. Insbesondere bemerkenswert sind die Universität Eötvös Lorand in Budapest mit einer Möglichkeit zur Diplom-Prüfung in Esperanto und die Universität von Posen, Polen, mit einem Diplom-Studiengang in Interlinguistik. Die Bibliografie der US-Gesellschaft für moderne Sprachen führt mehr als 300 wissenschaftliche Publikationen jährlich an. Die Bibliothek der britischen Esperanto-Gesellschaft hat mehr als 20.000 bibliografische Einheiten. Andere große Bibliotheken, einschließlich des Internationalen Esperanto-Museums in Wien (Teil der Österreichischen Nationalbibliothek), der Bibliothek Hodler beim Zentralbüro von UEA in Rotterdam und der Esperanto-Sammlung in Aalen, Deutschland. Man kann die Sammlungen in Wien und Aalen übers Internet und die internationale Ausleihe erreichen.
Berufliche Kontakte und besondere Interessen. Organisationen für Esperantosprecher umfassen solche für Ärzte, Schriftsteller, Eisenbahner, Wissenschaftler, Musiker und viele andere. Sie geben oft ihre eigenen Zeitschriften heraus, organisieren Konferenzen und helfen den Gebrauch der Sprache im beruflichen Bereich und für besondere Themen auszuweiten. Die Internationale Akademie der Wissenschaften von San-Marino erleichtert die Zusammenarbeit auf Universitätsniveau. Original in Esperanto verfasste und übersetzte Ausgaben erscheinen regelmäßig in den Fächern Astronomie, Informatik, Botanik, Entomologie (Insektenkunde), Chemie, Rechtswissenschaft und Philosophie. Es gibt Organisationen für Fachgruppen wie Pfadfinder, Blinde, Schach- und Go-Spieler, und die Jugendabteilung von UEA, TEJO, organisiert häufig internationale Zusammenkünfte und gibt eigene Periodika heraus. Buddhisten, Schintoisten, Katholiken, Quäker, Protestanten, Mormonen und Bahais haben eigene Organisationen, und viele gesellschaftlich aktive Gruppen benutzen Esperanto.
Literatur. Die blühende literarische Tradition des Esperanto wird vom internationalen PEN-Club anerkannt, der eine Esperanto-Abteilung bei seinem 60. Kongress im September 1993 aufnahm. Bemerkenswerte Esperanto-Schriftsteller umfassen die Romanciers Trevor Steel (Australien), István Nemere (Ungarn) und Spomenka Štimec (Kroatien), die Dichter William Auld (Schottland), Michail Gischpling (Russland/Israel) und Abel Montagut (Katalonien) und die Verfasser von Essays und Übersetzer Probal Daschgupta (Indien), Fernando de Diego (Venezuela) und Kurisu Kei (Japan). Auld war 1999 und 2000 für seine Beiträge zur Dichtkunst als Kandidat für den Literaturnobelpreis aufgestellt.
Übersetzungen. Übersetzungen literarischer Werke, die in der letzten Zeit herausgegeben wurden, umfassen „Der alte Mann und das Meer“ von Hemingway, „Der Herr der Ringe“ von Tolkien, „Hundert Jahre Einsamkeit“ von Garcia Marquez, „Rubaiyat“ von Umar Chajjam, „Die Blechtrommel“ von Grass, „Wunder der Welt“ von Marco Polo und die große Familiensaga von Cao Xueqin „Traum des roten Hauses“. Für Kinder wurden Asterix, Winnie-der-Pu und Tim und Struppi nun Struwwelpeter und Pippi Langstrumpf und alle Mumintal-Bücher des weltberühmten Autors Tove Jansson hinzugefügt, ebenso wie die Os-Bücher von L. Frank Baum im Internet verfügbar gemacht wurden. Übersetzungen aus dem Esperanto umfassen „Maskerado“, ein Buch, das 1965 auf Esperanto herausgegeben wurde, von Tivadar Soros, dem Vater des Finanziers George Soros, das das Überleben seiner Familie während der Naziokkupation in Budapest zum Thema hat. Dieses Werk wurde in der letzten Zeit auf Englisch in Großbritannien (2000) und in den USA (2001) herausgegeben und ist jetzt auch auf Russisch, Deutsch und Türkisch erschienen.
Theater und Kino. Theaterstücke von Dramatikern, die ebenso unterschiedlich sind wie Goldoni, Ionesco, Shakespeare und Alan Ayckbourn wurden in den vergangenen Jahren auf Esperanto aufgeführt. Von vielen Shakespeare-Dramen gibt es eine Esperanto-Übersetzung: eine der Aufführungen der allerjüngsten Zeit war im Dezember 2001 „König Lear“ in Hanoi, Vietnam, mit einem lokalen Ensemble. Obwohl „Der große Diktator“ von Chaplin Esperantosprachige Aufschriften in seinen Szenen benutzte, sind Filme in voller Länge ungewöhnlich. Eine bemerkenswerte Ausnahme bildet der Kultfilm „Inkubo“, dessen Dialoge ausschließlich auf Esperanto wiedergegeben werden.
Musik. Musikgattungen auf Esperanto umfassen Pop- und Volksmusik, Rockmusik, Kabarett, Lieder für Solisten und Chöre und Oper. Populäre Komponisten und Künstler, einschließlich des Briten Elvis Costello und des US-Amerikaners Michael Jackson wurden auf Esperanto aufgenommen, komponierte Orchesterstücke, die von Esperanto inspiriert wurden oder es in ihrem Werbematerial benutzen. Verschiedene Stücke des von Warner Brothers im November 1996 in Spanien vollständig auf Esperanto herausgegebenen Albums „Esperanto“ erreichten Spitzenplätze in der spanischen Hitliste. Klassische Orchesterwerke und Choräle mit Texten auf Esperanto umfassen „La Koro Sutro“ von Lou Harrison und die erste Symphonie von David Gaines, beide aus den USA. Musik auf Esperanto findet sich im Internet einschließlich einiger dem Esperanto-Karaoke gewidmeter Seiten.
Periodika. Mehr als 100 Magazine und Zeitschriften werden regelmäßig auf Esperanto herausgegeben, einschließlich des monatlichen Nachrichtenmagazins „Monato“, der literarischen Rundschau „Fonto“ und die Rundschau von UEA „Esperanto“. Das zweiwöchentliche Nachrichtenkompendium „Eventoj“ bietet ebenso wie auch „Monato“ eine elektronische Ausgabe an, einige Zeitschriften stellen Archive im Internet zur Verfügung. Andere Periodika umfassen Ausgaben über Medizin und Wissenschaft, religiöse Magazine, Jugendzeitschriften, Periodika über Erziehung, anderweitige Literatur-Rundschauen und Ausgaben zu besonderen Themen.
Radio und Fernsehen. Radiosendungen aus Brasilien, China, Kuba, Polen und dem Vatikan werden regelmässig in Esperanto ausgestrahlt. Viele Programme sind auch per Internet hörbar, neuerdings sind Esperanto-Podcasts sehr verbreitet! Fernsehkanäle in verschiedenen Ländern senden Esperantokurse, inklusive der 16-teiligen Adaption von "Mazi im Gondoland" der BBC im polnischen Netz Kanal Eins Polen.
Internet. Die Netzgemeinde der Esperantosprecher ist sehr groß und wächst schnell. Es gibt Hunderte Verteilerlisten in Esperanto, die so verschiedene Themen wie die Benutzung der Sprache in der Familie und die Allgemeine Relativitätstheorie behandeln. Esperanto wird umfassend genutzt in Chatprogrammen wie ICQ, IRC, MSN, Skype ua. Netzauftritte in Esperanto gibt es Hunderttausende. Es gibt Computerprogramme, die original in Esperanto geschaffen wurden, zB. Rechtschreibhilfen, Grammatikkontrollen und Tastaturlayouts. Programme wie Open Office, Firefox, IrfanView, die grafische Arbeitsumgebung KDE und das Betriebssystem Ubuntu sind auch in Esperanto erhältlich. Berühmte Seiten wie Google, Wikipedia, Facebook, Ipernity haben unter anderem auch Esperanto-Versionen.